„Eine kluge Investition in die Zukunft unserer Kinder“, nennt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die Kindergrundsicherung. Nachdem sie sich lange mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über die Finanzierung der „letzten größeren Sozialreform“ gestritten hatte, ist der Rahmen jetzt festgezurrt. 2,4 Milliarden Euro stehen zur Verfügung, um Leistungen für Familien zu bündeln, einfacher zugänglich zu machen und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.
Armut trifft Kinder besonders hart. Das gilt laut Daten des Statistischen Bundesamtes aktuell für jedes vierte Kind. Dieser stetig wachsenden Kinderarmut möchte die Regierung mit der Kindergrundsicherung entgegentreten. Mädchen und Jungen sollen besser vor Armut geschützt werden, indem ihnen gesellschaftliche Teilhabe und die Chance zu einem selbstbestimmten Leben gegeben wird. Ein Gutachten des ifo-Institutes bestätigt, dass sich die Chancen betroffener Familien durch die Kindergrundsicherung deutlich verbessern würden. Dazu hat man ein großes Paket geschnürt.
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Was ist Kindergrundsicherung?
Zwei Ziele standen von Anfang an fest und wurden bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung kommuniziert. Einerseits geht es darum, das alte System aus dutzenden finanziellen Leistungen unter einen Hut namens Kindergrundsicherung zu bringen. Dabei geht es unter anderem um das Kindergeld, den Kinderzuschlag, die Leistungen aus dem Bürgergeld und der Sozialhilfe. Andererseits – und das dürfte besonders wichtig sein – baut die Regierung bürokratische Hürden ab. Denn viele Leistungen wurden aus Scheu vor dem Aufwand oder schlicht aus Unwissenheit nie in Ansprach genommen.
Abbau von Bürokratie
Ab 2025 soll daher ausschließlich der „Familienservice der Bundesagentur für Arbeit“ für die Kindergrundsicherung zuständig sein. Schon heute zeichnet die Familienkassen für das Kindergeld verantwortlich. Eltern müssen allerdings nicht beim Amt vorstellig werden, sondern können die Kindergrundsicherung online beantragen. Dafür soll es künftig den Kindergrundsicherungscheck geben.
Eltern stellen den Antrag online
Dieser Schritt erfolgt direkt nach der Geburt des Kindes. Indem die frisch gebackenen Eltern dann noch ihr Einverständnis zum Datenabgleich geben, ist alles erledigt. Auf diese Neuerung ist Lisa Paus besonders stolz. Im Rahmen der Pressekonferenz zur Einigung rund um die Kindergrundsicherung betonte sie: „Von der Hol- zur Bringschuld: der Staat als Servicedienstleister, ein echter Paradigmenwechsel.“
Wie hoch ist die Kindergrundsicherung?
Konkrete Zahlen zur Höhe der Kindergrundsicherung liegen nicht auf dem Tisch. Denn noch ist nicht bekannt, wie hoch das Statistische Bundesamt das Existenzminimum beziffert. Allerdings steht – und stand auch schon vor dem Streit – fest, wie die Kindergrundsicherung aufgebaut sein wird, um soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Die Idee: Die neue Leistung setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen. Einem Garantiebetrag, der einkommensunabhängig sein wird und somit jedem Kind zusteht. Und einem Zusatzbetrag, der sich nach dem Alter des Mädchens oder des Jungen und dem Einkommen der Eltern richtet.
- Garantiebetrag: Der Garantiebetrag soll das bisherige Kindergeld ablösen und sich auch finanziell am Vorgänger orientieren. Aktuell beträgt das Kindergeld 250 Euro. Vorgesehen ist, den Betrag alle zwei Jahre anzupassen – hierfür ist der Existenzminimumbericht der Regierung ausschlaggebend. Wichtig: Es handelt sich um einen Garantiebetrag, der nicht auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld angerechnet wird.
- Zusatzbetrag: Hier ist das Motto simpel. Eltern mit geringen finanziellen Mitteln sollen mehr Geld erhalten. Hier fließen unter anderem die derzeitige Pauschale für Bildung und Teilhabe sowie die Kinderwohnkostenpauschale ein. Steigt das Einkommen der Eltern, reduziert sich der Zusatzbetrag. Ab einer bestimmten, bislang nicht fest definierten Höhe endet der Anspruch auf den Zusatzbetrag. Auch hier spielt das Existenzminimum eine entscheidende Rolle.
Wer erhält die Kindergrundsicherung?
Der Grundsatz: Die Kindergrundsicherung steht allen Kindern zu. Von der Geburt an bis zur Volljährigkeit. Bei Jugendlichen, die sich in einer Ausbildung befinden, wird die Altersgrenze auf 25 Jahre angehoben, bei Studierenden auf 27 Jahre.
Nicht generell mehr Geld mit Kindergrundsicherung
Eines sollten Eltern mit der Kindergrundsicherung nicht erwarten: einen größeren Geldsegen. Finanzminister Christian Lindner betonte, dass es keine generellen Leistungserhöhungen geben werde. Stattdessen setze man auf Anreize, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Lebenswirklichkeit besser abbilden
Aber: Die Lebenswirklichkeit von Kindern soll künftig besser abgebildet werden. Dieser Vorsatz wird sich in der Berechnung des Existenzminimums von Kindern widerspiegeln. Durch die Neuermittlung werde, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Kindersofortzuschlag abgelöst. Im neuen Format sollen dann etwa die Strom- und Haushaltskosten individueller berücksichtigt werden.
Fokus auf Alleinerziehende
Da Kinder von Alleinerziehenden überproportional oft von Armut betroffen sind, möchte Bundesfinanzminister Christian Lindner gerade diese Familien stärker unterstützen, um die Situation zu verbessern. Deshalb wurde die Anrechnung von Unterhaltseinkommen auf Transferleistungen überarbeitet und gestaffelt. Bei besonders hohen Einkommen sollen nur noch 75 Prozent angerechnet werden, bei geringen Unterhaltseinkommen 45 Prozent. Das gilt jedoch nur bis zum Schuleintritt und damit dem sechsten Lebensjahr. Die geringere Anrechnung kommt dann nur Eltern zugute, die auch einer Arbeit nachgehen.
Wann kommt die Kindergrundsicherung?
Nachdem man sich auf Regierungsebene geeinigt hat, soll jetzt Dampf in den Kassel. Die Familienministerin will „zügig ran“ an die Kindergrundsicherung. Sie soll am 1. Januar 2025 an den Start gehen. Der Zeitplan sieht jetzt zunächst eine Verbändeanhörung vor. Die dürfte spannend werden, denn seitens des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) hat man bereits deutlich gemacht: Die Pläne gäben keine Antwort auf die grundsätzlichen strukturellen Probleme – „das darf nur ein Anfang sein“.
Was kostet die Kindergrundsicherung?
Der Punkt, an dem sich der Streit um die Kindergrundsicherung entzündet hat, waren die Kosten. Lisa Paus hatte anfangs zwölf Milliarden Euro veranschlagt. Im Bundeshaushalt waren nur zwei Milliarden vorgesehen. Geeinigt hat man sich jetzt auf 2,4 Milliarden Euro, also 400 Millionen Euro mehr. Dieser Betrag ergebe sich daraus, dass es eine höhere Inanspruchnahmequote geben werde, den Änderungen beim Transferentzug und den Verwaltungskosten. In den kommenden Jahren erwartet die Regierung Kosten von bis zu sechs Milliarden Euro.
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